Anscheinend stimmt es wirklich, dass man ab einem bestimmten Alter nur noch das Thema "Ärzte, Beschwerden und Wehwehchen" hat. Anscheinend habe ich also nun dieses Alter erreicht, denn im Moment dreht sich bei uns fast alles nur noch genau um dieses Thema, auch wenn es mich ja eigentlich nur indirekt betrifft.
Beim Leckerchenmann stehen sich Krankenhausmediziner und Hausarzt gegenüber. Dem Leckerchenmann geht es nun seit drei Wochen nicht besonders gut. Das Krankenhaus empfiehlt eine Behandlung, der Hausarzt ist absolut dagegen. Bis jetzt wurde also noch gar nichts gemacht, damit es dem Leckerchenmann auch nur ein bisschen besser geht. Nächste Woche fahren wir nun in die Nachbarstadt, damit der Leckerchenmann in einer Spezialklini untersucht wird. Diesen Termin hat das Krankenhaus vereinbart, obwohl der Hausarzt murrt und Bedenken äußert. Das zehrt an den Nerven, beim Leckerchenmann, bei der Leckerchenfrau und auch bei mir.
Es kam dem WBE und mir also ganz gelegen, dass unser Weihnachtsbesuch bei der Abreise etwas ganz Wichtiges vergessen hatte. Somit traten wir nämlich am vergangenen Wochenende einen ungeplanten Abstecher nach Hessen an. Ein guter Zeitpunkt, denn mit einem größeren Ausflug kann man so schön den Kopf durchpusten. Bei unserem letzten Besuch dort hatte der Dauerregen uns ans Haus gefesselt. Nun wollten wir auch mal die nähere Umgebung erkunden. So machten wir uns guter Dinge und bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg, um dann in Rheinland-Pfalz festzustellen, dass ein Gehirn, das sich tagein tagaus nur noch mit Krankheiten beschäftigt, absolut nicht mehr alltagstauglich ist. Wir hatten viele schöne Sachen in unserem Auto, nur leider nicht das, was uns zu dieser Fahrt bewogen hatte.
Rückkehr war angesagt.
Augen zu und durch.
Was man nicht im Kopf hat, muss man im Tank haben.
Exakt zwei Stunden nach Abreise kamen wir wieder zu Hause an, um dann noch mal neu zu starten. Dieses Mal auch mit der wertvollen Fracht und der Gewissheit, dass uns nach Ankunft nicht mehr lange Licht für die Umgebung bleiben würde. Unser Navi war dann auch so nett und schickte uns, nachdem wir ja schon zweimal dem Kölner Dom zugewunken hatten, auf eine andere Strecke. Dieses Mal mit Blick auf Koblenz, Schloss Montabaur und Limburger Dom. Ein gutes Navi denkt eben mit und kennt die Vorlieben seiner Leute.
Tatsächlich war in Hessen noch ein kleiner Spaziergang drin.
Vorbei an Wald und Feld |
Ein Himmel wie gemalt |
Emi hat trotz langer Fahrt gute Laune |
Volle Aufmerksamkeit |
Rheinisch-Hessische Verbindung gegen hohe Mäusepopulation |
Smile für die Kamera |
Besondere Wegweiser |
Der Waldkindergarten hat Spuren hinterlassen |
Blaue Stunde |
Dieser Spaziergang nahm seinen Höhepunkt im fast stockdunklen Wald. Während wir schon befürchteten hoffnungslos wie Hänsel und Gretel zu enden, war Emis Nase absolut hingerissen vom Duft aus dem Wald. Ein paar Rehe, die kurz vor uns über den Weg rannten, sah sie zwar nicht, aber was immer noch da im Wald war, es war auf jeden Fall wahnsinnig interessant. Für uns war es vielleicht auch besser, dass wir es nicht wussten. Nachdem wir fast blind durch jede Matschpfütze Hessens gestapft waren, fanden wir dann auch glücklicherweise den Weg aus dem Wald und zurück an einen reich gedeckten Tisch, den wir uns auch verdient hatten. Leider ließ Emi uns den kurzen Aufenthalt in Hessen nicht wirklich genießen. Gewohnt an ihr Rudel wollte sie nur noch nach Hause. Ich glaube, es ist die riesige Liebe zu Manu, die ihr die Trennung über mehr als 2-3 Stunden wirklich schwer machte. Zu Hause wurde er dann auch wirklich ganz besonders herzlich begrüßt. Ach ja, Hundeliebe, seufz.
War der Kopf durch den Trip nach Hessen kurzfristig abgelenkt, so bekam er am nächsten Morgen die volle Ladung Sorgen ab. Lukes OP war sehr früh am Morgen angesetzt und belastete mich dann doch wesentlich mehr, als ich erwartet hatte. Alleine schon die Zeit bis die Narkose wirkte, machte mir doch sehr zu schaffen. Dieser fragende und hilfesuchende Blick aus dunklen Hundeaugen, die kurz vorher noch so vertrauensvoll geschaut hatten. Puh, das war wirklich nicht einfach. Stunden später kam dann noch die Aussage dazu, dass alles gut verlaufen sei, den Tumor habe man eingeschickt und das Ergebnis würde in einer Woche vorliegen. Das versetzte meinen Kopf in ein komplettes Chaos. Während Luke also mit Halskrause zu Hause den Schlaf der Gerechten schlief, war ich komplett handlungsunfähig. Das Kopfkino fuhr Karussell. Böse, dunkle Gedanken gaben sich die Hand. Tumor. Mein Gehirn, das in der Regel nicht in der Lage ist lange abzuspeichern, was mir wirklich wichtig ist, holte nun in Dauerschleife alle Informationen über dieses Thema hervor, die es innerhalb von Jahrzehnten gehört, gelesen oder miterlebt hatte. Je schlimmer, je besser. Es ratterte und ratterte und ratterte.
Emi und Manu tappsten auf Zehenspitzen durchs Haus, machten einen großen Bogen um den Patienten oder legten sich in unmittelbarer Nähe zu ihm auf den Boden. Gegen Abend war er dann immerhin in der Lage die blöde Halskrause zu entfernen. Diese wollte er sich auch partout nicht mehr anlegen lassen. Aus Mitleid ließen wir ihn gewähren. Zuerst ging es auch ohne noch ganz gut.
Wir hielten ihn im Familienschichtdienst unter Beobachtung, und die Wunde verheilte zufriedenstellend. Bei der Kontrolle gab es keine Klagen.
Inzwischen sind wir an Tag 5 angekommen. Der Patient entwickelt sich zum Houdini der Halskrause. In der Nacht hat er sich nun zum ersten Mal die Wunde freigelegt. Ein Anblick, der mich am frühen Morgen in absolute Hektik versetzte. Mittlerweile haben wir die Wunde wie Fort Knox gesichert, doppelt und dreifach, aber Luke hat nur noch ein Bestreben. Weg mit der Halskrause, ran an Fort Knox. Es ist zum Mäusemelken, und ich bin wirklich froh, dass das Wochenende vor der Tür steht und wir ihn so fast nahtlos im Blick haben.
Liebe Wunde, nutze die Zeit, um einen kleinen Vorsprung zu erarbeiten. Wir werden dich unterstützen.
Der Houdini der Halskrause grüßt |